Hinweise auf innere Erkrankungen können z. B. sein, dass der aufgefundene Vogel apathisch wirkt, viel schläft, ein gestörtes Fressverhalten zeigt und/oder abgemagert ist. Daher gehören Fundtiere immer in spezielle Pflegestationen, in der die Pfleger geschult sind und das gestörte Verhalten schnell feststellen. Solche Patienten gehören nicht in eine Außenvoliere.
Greifvogelpfleglinge sollten von eigenen falknerisch gehaltenen Vögeln getrennt gehalten werden, damit keine Krankheiten übertragen werden können – alles andere wäre sehr leichtsinnig den eigenen Tieren gegenüber.
Wir möchten an dieser Stelle eindringlichst davor warnen, kranke Vögel in den Sommermonaten im Außenbereich wie einer Voliere unterzubringen. Vermeintlich "sterbende" Vögel werden schnell von Fliegen heimgesucht und die Pflege des Fundtieres hat schnell ein Ende gefunden, sollten die Fliegeneier zum Beispiel in den Nasenlöchern platziert werden. Diese Form des Befalles konnten wir auch regelmäßig bei geschwächten Schleiereulen feststellen.
Querschnittslähmung bei Greifvögeln und Eulen
Unter einer Querschnittslähmung wird einfach ausgedrückt eine Unterbrechung der Nervenleitungen im Rückenmark verstanden. Diese kann zum Beispiel durch Quetschungen des Rückenmarks, Verschiebungen der Wirbelkörper, Verstauchungen und Störungen der Blutversorgung kommen.
Leider bekommen wir mehrfach im Jahr Greifvögel und Eulen eingeliefert, welche ihre Beine fast vollständig gelähmt haben. Als Ursache sehen wir in Einbeziehung der Fundsituationen Anflugtraumen verschiedenster Art. In den meisten Fällen sind beide Beine wie gelähmt (Diparese), das Tier kann nicht aufrecht stehen. Da bei angefertigten Röntgenbildern sehr häufig keine Knochenbrüche nachzuweisen sind, gehen wir von Wirbelsäulen- bzw. Rückenmarksverletzungen aus.
Die Symptome
Der Vogel versucht sich häufig flügelschlagend, aber robbend fortzubewegen. Dabei ist in der Regel die visuelle Wahrnehmung vom Tier ungestört, es schaut dabei noch munter und zeigt offensichtlich Lebenswillen. Besonders häufig kommt es zur sogenannten Darmlähmung, einer ernstzunehmenden Störung der Darmmotorik beim Vogel. Diese Patienten sind aufgrund ihres Traumas sehr häufig nicht mehr in der Lage, selbstständig Kot abzusetzen. Die Füße können meist nicht mehr willkürlich bewegt werden, der Greifvogel oder die Eule kann nicht mehr greifen. Es besteht meist noch eine gewisse Tiefensensibilität.
Besteht eine Darmlähmung?
Wenn ein verunfallter Vogel stundenlang weder Harn noch Kot abgesetzt hat, ist dies ein ernstzunehmender Hinweis auf ein schwerwiegendes Trauma. Ein gesunder Greifvogel setzt im Schnitt 1× pro Stunde Kot/Harn ab. Dies gilt auch für die Nacht. Ein halber oder gar ganzer Tag ohne Kotabsatz ist nicht normal und wird schnell lebensbedrohlich für das Tier! Wir testen im Verdachtsfalle immer den Kloakenreflex. Dieser ist bei Veränderungen verzögert oder gar nicht mehr vorhanden. Das Tier verliert entweder unwillkürlich Darminhalt oder man muss dem Vogel mit vorsichtigem Ausmassieren helfen. Diese Aufgabe bleibt allerdings nur Spezialisten wie Tierärzten überlassen, da man sonst das Tier zu schnell verletzen kann.
Prognose
Da man nie genau sagen kann, wie heftig der Aufprall beim Unfall war, kann nie eine aussagekräftige Prognose gestellt werden. Aus Erfahrung müssen wir allerdings sagen, dass solche Unfalltiere zu 90 % keine Überlebenschancen haben.
Die richtige Wahl der Futtermittel
Eine Darmlähmung ist eine ernstzunehmende Problematik und daher muss genau darauf geachtet werden, was und wie oft gefüttert werden darf. Es dürfen keine Futtertiere mit Fell, Federn oder Knochen verfüttert werden. Weiter sollte kein Muskelfleisch verfüttert werden (z. B. Taubenbrust, Rinderherz). Denn Nahrung, die schwer verdaulich ist, bringt den Vogel unweigerlich um. Außerdem darf man Vögeln, die nicht selbstständig stehen können, keine gewöllbildende Nahrung anbieten, da diese das folgende Gewölle nicht ausspeien könnten. Entweder wird der Vogel mit püriertem, leicht verdaulichem Fleisch mittels Spritze und Sonde ernährt oder es werden ganz kleine Stücke (so klein wie möglich) Leber angeboten. Leber ist sehr weich und nahrhaft und sehr gut zu verdauen. Es kann auch Carnivore Care (Firma Albrecht) angemischt werden und übergangsweise zur Fütterung genutzt werden.
Die Durchführung der Fütterung
Ich habe bei der Fütterung die Einstellung, keinen Lähmungspatienten zum Fressen zu zwingen. Wir vermeiden das "Stopfen" der Tiere und beobachten lieber genau, ob der Vogel freiwillig kleinste Futterstücke von der Pinzette annimmt bzw. schlucken möchte. Dies ist wichtig, um zu erkennen, wie der Vogel sich fühlt. Tiere, die die Nahrungsaufnahme plötzlich verweigern, haben keine Überlebenschancen und sollten eingeschläfert werden. Nahrungsverweigerung ist ein ernstzunehmendes Symptom und endet in der Regel mit dem Tod des Tieres. Nach jeder Fütterung muss der Kotabsatz stattfinden. Es ist zu beachten, dass häufig kleine Futtermengen über den Tag verabreicht werden müssen, damit der Darm nicht überlastet wird. Denn gibt man einem Unfallpatienten zu viel Futter auf einmal, kann er rasch daran versterben.
Da solche Intensivpatienten nicht in Laienhände gehören, sollte unbedingt eine stationäre Aufnahme bei einem vogelspezialisierten Tierarzt erfolgen. Denn dieser würde auch täglich Infusionen und notwendige Medikamente verabreichen. Das Tier sollte täglich gewogen werden, um eine bestmögliche Kontrolle über die Gewichtsentwicklung und den Futtertagesbedarf zu haben.
Eine Darmlähmung ist kennzeichnend, dass übelriechender Kot ausgeschieden wird. Dies liegt daran, dass es zu einem Rückstau kommt und die Entleerung nicht normal möglich ist.
Es kommt zu einer innerlichen Vergiftung. Die Vögel atmen häufig schwer und angestrengt, dabei leiden sie unter Schmerzen! Eine Euthanasie ist hierbei eventuell die beste Lösung bzw. Erlösung vom Leid.
Gelbsucht (Ikterus)
Von dem Wort Gelbsucht hat sicher jeder schon einmal gehört, viele Leute wissen auch, dass bei der Erkrankung Gelbsucht ein Problem mit der Leber vorherrscht. Die Gelbsucht kann genauso wie beim Menschen auch bei Vögeln vorkommen.
Doch man benötigt ein geschultes Auge, eine Gelbsucht am befiederten Tier zu erkennen. Denn das dichte Kleingefieder deckt so viel Haut ab, sodass man eine Erkrankung schnell übersehen kann.
Wir möchten kurz auf die verschiedenen Ursachen der Gelbsucht eingehen und zeigen, an welchen Stellen die Hautverfärbung am ehesten zu entdecken sind.
1. Die Gelbsucht, die durch eine Erkrankung vor der Leber verursacht wird (Prähepatischer Ikterus)
Hierbei handelt es sich um einen gesteigerten Zerfall von roten Blutkörperchen. Dabei wird Bilirubin (Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin) vermehrt freigesetzt.
Die Ursache für den krankhaften Prozess liegt nicht in der Leber, sondern im Blut. Wir hatten solch einen Fall schon bei einer jungen Waldohreule, die unter anderem unter Darmblutungen litt.
2. Die Gelbsucht, die durch eine Erkrankung in der Leber bedingt ist (Hepatischer Ikterus)
Hier handelt es sich um eine Erkrankung in der Leber, wie es zum Beispiel bei Leberentzündungen der Fall sein kann.
Wir hatten solch einen Fall bei einem Turmfalken-Altvogel. Er konnte mit einem Antibiotikum geheilt werden. Eine junge Waldohreule wurde uns mit gelblicher Haut eingeliefert, das Tier litt nach weiterführenden Untersuchungen an einer massiven Salmonelleninfektion. Die Waldohreule konnte nicht mehr gerettet werden. Noch ein weiterer Fall bei einer Schleiereule; sie zeigte starke Veränderungen an der Leber. Ihr Harn sah im Endstadium der Krankheit so aus:
3. Die Gelbsucht, die durch eine Störung hinter bzw. nach der Leber verursacht wird (Posthepatischer Ikterus)
Die häufigste Ursache hierbei sind Störungen der Gallenwege bzw. im Gallenfluss. Die Gallenflüssigkeit ist besonders reich an Bilirubin. Bei einem Verschluss der Gallenwege staut sich die Gallenflüssigkeit und so können Bestandteile der Galle in die Blutbahn übertreten.
Wir hatten solch einen Fall bei einer Waldohreule. Nach dem Verenden wurde bei der Sektion unter anderem eine Stauung der Gallenblase festgestellt sowie eine vergrößerte Leber.
Blutabnahme und Blutuntersuchungen beim Vogel
Je nach Erkrankung ist eine Blutentnahme notwendig, um Organwerte und/oder ein Blutbild erstellen zu lassen. Hierbei nehmen wir günstigerweise das Blut aus der Beinvene oder aus der Halsvene.
Die Blutentnahme an der Jugularis ist die schonendste Blutentnahme-Methode, da diese innerhalb weniger Sekunden durchgeführt werden kann. Der Stress ist hierbei für jeden Vogel auf ein Minimum reduziert. Dank der fachmännischen Ausbildung in der Falkenklinik Abu Dhabi kann bis zur Amselgröße bei jeder Vogelart ohne Probleme diese Blutentnahmetechnik angewendet werden.
Bei dem Blutbild bei Vögeln gibt es ein interessantes Merkmal, denn die roten Blutkörperchen enthalten ebenfalls Zellkerne, genau wie die weißen Blutkörperchen. Dies ist bei Säugern nicht anzutreffen. Der Nachteil ist, dass einige Laborgeräte dieses Blut nicht untersuchen können, da die Zellkerne in den roten Blutkörperchen falsch interpretiert werden. Daher senden wir diese Blutproben immer zu speziellen Fremdlaboren.
Blutarmut (Anämie)
Bei einer Anämie (Blutarmut) kommt es zu einem gestörten Verhältnis der Blutzellen und der Blutflüssigkeit. In der nächsten Darstellung soll veranschaulicht werden, wie stark verändert eine Blutprobe aussehen kann, wenn das Tier unter einer Anämie leidet. Das linke Röhrchen (gelbliche Farbe des Plasmas in diesem Fall unbedeutend) zeigt eine höchstgradige Anämie bei einem Vogel. Nach der Untersuchung des Hämatokritwertes kam es zu einem Ergebnis von nur noch 8 %. 40 bis 50 % wären aber normal gewesen. Man kann die Blutzellenmenge nach dem Zentrifugieren oder Stehenlassen makroskopisch erkennen. Da es zu viele verschiedene Ursachen zur Anämie gibt, möchten wir nicht weiter auf das Erkrankungsbild eingehen.
Wir können regelmäßig bei unseren Vogelpatienten eine sogenannte Anämie feststellen. Meist kann man schon an der Schleimhautfarbe im Rachen einen Hinweis bekommen, ob das Tier in diese Richtung Probleme hat. Die Tiere sind dabei auch auffällig schwach. Insbesondere stellen wir bei Mäusebussarden häufig eine Anämie fest. Die Tiere sind schwach und schläfrig und erholen sich nicht nach Futtergaben. Hier kann mit einer Infektion von Vogelmalaria ssp. wie Plasmodium ssp., Leucocytozoon ssp. und Haemoproteus u. a. gerechnet werden.
Vogelmalaria-Arten werden von infizierten Kriebelmücken, Gnitzen und/oder verschiedenen Mückenarten übertragen. Todesfälle treten infolge von Schwäche und Anämie auf. Unter natürlichen Bedingungen besteht zwischen Parasiten und Endwirt ein Gleichgewicht, um einen langfristigen Nutzen zu erreichen. Blutparasiten bei Vögeln gibt es auf der ganzen Welt. Erst bei geschwächtem Immunsystem kann es zu Komplikationen kommen. Die Hauptübertragungszeit findet in den Sommermonaten statt, dann wenn die Mückenarten besonders aktiv sind. Ähnlich verhält es sich beim Usutu-Virus.
Es müssen spezielle Blutuntersuchungen durchgeführt werden, um eine Diagnose stellen zu können.
Papillomavirusinfektion
Diese wurde bisher nur sehr selten bei Greifvögeln beobachtet:
Nachweis zum Papillomavirus beim Gänsegeier. Gänsegeier-avian-papillomavirus-infection-in-g-fulvus
Salmonelleninfektionen
Schon mehrfach wurden uns sehr kranke Tiere eingeliefert, bei denen als Enddiagnose eine Salmonelleninfektion stand. Salmonellen können u. a. über Mäuse übertragen werden. Einen gleichzeitigen Ikterus bei einer Salmonellose konnten wir in zwei Fällen beobachten. Die Tiere haben nur mit entsprechender antibiotischer Behandlung eine Überlebenschance. Der Nachweis erfolgt über Kotproben (Bakteriologie), Blutproben (Antikörpernachweis) oder Organuntersuchungen bei pathologischen Untersuchungen. Zur Typisierung des Salmonellenstammes können Proben in die Uni (z. B. nach Gießen) geschickt werden. Dort wird der Keim angezüchtet und anschließend eine PCR-Untersuchung durchgeführt; hier kann man feststellen, ob es sich um eine medizinisch relevante Salmonellen-Infektion handelt. Ein Antibiogramm sollte sinnvollerweise angefordert werden.