Stacheldrahtunfälle bei Greifvögeln und Eulen
Alleine bei dem Wort "Stacheldrahtunfälle" zucken die meisten Menschen schon zusammen, weil sie direkt wissen, dass jetzt ein schreckliches Thema kommt. Dennoch werden wir das Thema nicht aussparen, denn es handelt sich hier um die Realität und wir dürfen nicht wegschauen. Jedes Jahr werden uns mehrere stacheldrahtverletzte Tiere eingeliefert!
Häufig kommt die Frage, warum die Tiere den Zaun nicht sehen
Im Jagdflug sehen die Tiere den Stacheldrahtzaun häufiger nicht. Und Eulen sowie verschiedene Greifvögel fliegen nicht nur ganz weit oben in der Luft, sondern befinden sich auch oft mal im Tiefflug und verpassen die lebensrettende Bremsung in letzter Sekunde.
Ein Vogel verfängt sich meistens mit dem Unterflügelbereich im Zaun, genau dort, wo die Haut kaum durch Großgefieder geschützt ist. In der Regel betrifft das den Bereich Flügelspannhaut und Innenseite zwischen Oberarm, Elle und Speiche. Es kommt in der Regel nicht zu Knochenbrüchen, aber schweren Verletzungen des Sehnen- und Bänderapparates und der Haut.
Die Bergung eines verfangenen Patienten
Zuerst muss gesagt werden, dass die verfangenen Tiere unter massivem Stress stehen und häufig daher auch unter Schock. Sie versuchen sich mit allen Kräften aus dieser aussichtslosen Falle selber zu befreien, dies dann bis zur absoluten Erschöpfung.
Bei der Befreiung der Tiere sollte ruhig aber zügig gearbeitet werden, um weiteren Stress zu vermeiden, denn die Tiere können daran sterben. Bei der Bergung sollte man den Kopf abdecken, da das gestresste Tier Todesangst erleidet. Wir empfehlen, den Zaun mit einer entsprechenden Zange zu durchtrennen und den Fremdkörper in der Wunde zu belassen, um die Entfernung einem vogelkundigen Tierarzt zu überlassen. Häufiger wurde uns berichtet, dass keine Zange zur Hand war, was wir auch gut nachvollziehen können. Doch ohne ein geeignetes Werkzeug kann es passieren, dass die Haut (in der Regel die Flügelspannhaut) unnötig mehr einreißt und die Heilung daher aussichtslos wird.
Jeder Stacheldrahtpatient ist ein Notfall!
Hiermit möchten wir noch einmal extra betonen, dass der befreite Patient sofort tierärztlich versorgt werden muss! Unter keinen Umständen darf nun noch stundenlang gewartet werden oder gar bis zum nächsten Tag. Manche Tiere mussten eingeschläfert werden, weil laut dem Finder der Vogel ja selber gefressen hatte und die Wunde so klein aussah. Bei Flügelspannhautverletzungen sind Wundauffrischungen nicht so einfach möglich, da keine Substanz zu viel vorhanden ist. Ohne einen chirurgischen Eingriff verschlechtert sich die Prognose für den Patienten immens! Eine sekundäre Heilung kann in nur wenigen Fällen gelingen, ist aber meist mit sehr vielen Verbandswechseln und wochenlanger Heilung verbunden.
Das eigenmächtige Herausschneiden des Drahtes aus der Haut kann zu irreparablen Schäden führen, da der Flügel nur eine Heilungschance hat, wenn keine Hautstücke verloren gehen.
In der Regel haben die Tiere die Flügel nicht gebrochen, aber leider kommt es sehr häufig zu Zerrungen, Sehnen- und Bänderverletzungen sowie zu Muskelverletzungen.
Jeder Stacheldrahtpatient ist ein Notfall!
Der Patient hat nur eine Chance, wenn er schnell gefunden wird und am selben Tag (vorzugsweise nach spätestens acht Stunden) in eine Tierarztpraxis gebracht wird und dort sofort chirurgisch versorgt wird!
Dieser Steinkauz wurde vom Finder erst zwei Tage nach dem Unfall zu uns gebracht; der Flügel konnte nicht mehr geheilt werden. Eine Flügelamputation wäre hier nur noch möglich gewesen, aber Tierquälerei für einen Vogel. Das Einschläfern war unumgänglich und tierschutzgerecht.
Uhus werden häufiger zu Stacheldrahtopfern, da sie eine besonders große Flügelspannweite haben. Wie hier ein Fall mit einem Uhu in Köln-Weiß.
Faktoren, die eine Rettung des Patienten erschweren
1. Die Wunde (oder der Knochen) infiziert sich durch verrosteten und verdreckten Stacheldraht. Eine antibiotische Versorgung ist bei dieser Verletzung notwendig.
2. Die Wunde hat beste Chancen zur Heilung, wenn sie ganz frisch ist, vorzugsweise nur wenige Stunden alt. Die Wundränder können chirurgisch wieder aneinander genäht werden, sofern keine großen Stücke der Haut fehlen oder zerfetzt sind. Ist die Wunde älter als acht Stunden, kommt es meistens zu Wundheilungsstörungen, da eine Wundauffrischung nicht mehr möglich ist.
3. Das Narkoserisiko ist sehr hoch. Die Tiere werden zwar mit einer schonenden Inhalationsnarkose für den Eingriff betäubt, aber der Stress und Schock am selben Tag durch die Befreiungsversuche im Zaun sind nicht zu unterschätzen. Selbst wenn sich der Vogel in einem guten Ernährungszustand befindet und eigentlich kräftig ist, kann er sterben, weil die Belastung für den Körper zu hoch ist.
4. Die größte Gefahr neben der Narkose besteht bei den Zaunverletzungen darin, dass sich die Flügelspannhaut nach der Wundversorgung verkürzt. Besonders wichtig ist es, die Flügelverletzungen dieser Art nicht unter Verband zu legen, da eine Ruhigstellung die Verkürzung geradezu provoziert. Ausnahmen gibt es nur, wenn ein Salbenverband notwendig ist; dann sind tägliche Verbandswechsel aber notwendig.
5. Wir empfehlen Boxenruhe für die ersten Tage der Wundheilung und nahezu tägliche Physiotherapie, sodass der Flügel in seiner Länge und Flexibilität erhalten bleibt. Möglicherweise sollte die Haut auch ganz dünn mit Salbe benetzt werden, um diese geschmeidig und belastbar zu halten. Eine Verunreinigung des Großgefieders muss dabei allerdings vermieden werden!
6. Der Patient sollte am Tag des Unfalls/der Operation unbedingt mit Infusionen zur Kreislaufstabilisierung versorgt werden. Dehydrationen sind nach einem solchen Unfall durchaus möglich.
7. Manche Tiere überleben diese Verletzung nicht, wenn wichtige Gefäße am Flügel zerstört wurden. Blutverlust oder das Absterben des Flügels wegen einer Verletzung der Flügelarterie sind möglich.
8. Insbesondere in den Sommermonaten ist auf Fliegeneier zu achten, die unverzüglich entfernt werden müssen. Werden sie übersehen und entwickeln sich zur Fleischmade, wird das ohnehin verletzte Gewebe so nachhaltig angefressen und geschädigt, dass das Leben des Patienten gefährdet ist. In der Regel wird das Gewebe nekrotisch und stirbt ab, wenn Fliegenmaden in der Wunde Schäden verursacht haben!
Folgende Arten sind schon in Stacheldrahtzäunen verunfallt:
Uhu, Sumpfohreule, Schleiereule, Waldohreule, Steinkauz, Habicht, Sperber, Mäusebussard. Am häufigsten werden uns Mäusebussarde mit diesem Vorbericht eingeliefert. Es handelt sich jedes Jahr um mehrere Patienten, die auf diese Art und Weise verunfallen und dann bei uns in der Station landen.
Was kann man noch tun?
Fotografische Dokumentation kann helfen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Missstände zu lenken, wobei die Befreiung des Vogels immer im Vordergrund stehen sollte.
Am besten kann man mit Fotos arbeiten und die Aufmerksamkeit der Mitmenschen erregen. Bilder stellen den Beweis dar, dass ein scheinbar harmloser Stacheldrahtzaun zur tödlichen Falle werden kann. Mit diesen Fotos sollte der Besitzer des Grundstückes/Zaunes aufgesucht werden. Es ist nicht auszuschließen, dass mancher Zaun gar nicht notwendig ist und eine Entfernung oder Umrüstung in Holzzäune möglich wäre. Daher sollte man in jedem Fall das Gespräch suchen und nachhaken.
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